Einführung zu den Unterrichtsmaterialien zum Film ZWISCHEN HIMMEL UND EIS
Die Materialien zum Film dienen im Wesentlichen zwei Zielen: Sie geben den Schülern/innen Gelegenheit, die dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden besser zu verstehen, und sie thematisieren die Erzählweise des Films. Grundsätzlich können auch Schüler/ innen der Sekundarstufe I (etwa ab 9 Klasse) mit den Materialien arbeiten, allerdings ist es dann ratsam, sich vor allem auf die beschreibenden Aufgaben zu konzentrieren und die analytischen Aufgaben wegzulassen oder sich ihnen im gemeinsamen Gespräch anzunähern.
Arbeitsmaterial E 1 liefert biografische Informationen zu Claude Lorius und soll die Schüler/ innen anregen, Vorerwartungen und mögliche Fragen zu formulieren. Das kann gerade bei einem Dokumentarfilm hilfreich sein, um eine hohe Aufmerksamkeit zu erreichen. Zudem können vorweg formulierte Fragen helfen, Besonderheiten zu benennen und Kriterien für eine Urteilsbildung zu entwickeln und zu überprüfen.
Lorius‘ wichtigstes Forschungsgebiet ist die Analyse von Tiefenschichten im Festlandeis. Die Arbeitsmaterialien E 2 und E 3 erklären die geophysikalischen Grundlagen und Methoden dieses Teilbereichs innerhalb der Glaziologie. Möglicherweise können die Schüler/innen den Film umfassender verstehen, wenn sie sich schon vor der Filmbetrachtung mit diesem Thema beschäftigt haben.
Ablagerung von Schnee: Die unteren Schneeschichten werden durch das Gewicht des Neuschnees
zu Firn und dann zu Eis verdichtet. Sie wandern immer weiter in die Tiefe, wo sie durch den Druck
von oben allmählich zur Seite fließen.
Massenbilanz eines Eisschildes oder Gletschers: Die Differenz zwischen neu hinzukommendem
Schnee/Eis und abschmelzendem Eis. Ist die Massenbilanz negativ, schrumpft der Gletscher.
Schnee an der Oberfläche und Eis im unteren Bereich eines Eisschildes: Durch das
Zusammenpressen verändert sich die Dichte; die chemische Zusammensetzung der
eingeschlossenen Luft bleibt gleich, sodass sie auch noch nach Jahrtausenden analysiert werden
kann.
Klimaarchiv: Der Schnee in der Antarktis oder in Grönland taut nicht, sondern bleibt liegen und
wird von weiteren Schneefällen bedeckt. Es entsteht eine Schichtung, die sich über Jahrtausende
aufbaut. Vor allem die eingeschlossenen Luftbläschen bieten hochwertige Informationen, ähnlich
einem Labor, in dem über Jahrtausende hinweg jedes Jahr Luftproben archiviert worden wären.
Drei Informationen: Zusammensetzung der Luft, Temperatur, Niederschlagsmenge
Zeitliche Obergrenze: Da das Eis in der Tiefe durch den immer weiter steigenden Druck zur Seite
gedrückt wird und nach außen abfließt, ist das Klimaarchiv begrenzt.
Unterschiedliche Eisbohrkerne: Das Eis in 20 Metern Tiefe ist noch nicht so stark verdichtet wie in
2.000 Meter Tiefe. Dort ist in einem gleich langen Eisbohrkern ein wesentlich größerer Zeitraum
abgebildet.
Die längste Sequenz des Films thematisiert Lorius‘ erste Forschungsreise Mitte der 1950er Jahre – zweifellos bietet das dokumentarische Material einen interessanten Einblick in die Realität der Polarforschung vor 60 Jahren. Als Kontrast dazu zeigt die Bilderserie in Arbeitsmaterial E 4 eine Expedition mit ähnlichen Zielsetzungen aus dem Jahr 2013. Es wird erkennbar, dass der Einsatz moderner Technik zwar viele Dinge erleichtert, dass aber auch heute kleinformatige Forschungsvorhaben unter einfachen Bedingungen stattfinden und hohe körperliche und mentale Anforderungen stellen.
Das Interview mit dem Glaziologen Frank Wilhelms (Arbeitsmaterial E 5) vermittelt einen persönlichen Blick auf den Forschungsbereich, in dem Claude Lorius tätig war. Zudem wird die Bedeutung der Eiskernbohrungen und der Klimageschichtsforschung im Zusammenhang mit dem Klimawandel thematisiert. Der Zusatztext geht auf die angesprochenen Zusammenhänge ein und verdeutlicht, dass schon vor über 100 Jahren grundlegende Erkenntnisse vorlagen, um einen Einfluss des Menschen auf das Klima zu vermuten. Das Diagramm zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie die Werte für CO2 und Methan in der Gegenwart den natürlichen Schwankungsbereich verlassen haben. Ein zwingender Beweis für einen Klimawandel ist das nicht, wohl aber ein starkes Indiz für grundlegende Veränderungen in der Atmosphäre durch den Einfluss des Menschen.
Arbeitsmaterial E 6 fragt nach den sich verändernden Bedingungen und der medialen Darstellung von Polarforschung.
Bildvergleich: Augenfällig sind Unterschiede hinsichtlich der Werkzeuge, Arbeitsmaterialien,
Kleidung und Ausstattung; die fotografische Inszenierung in dem Bild aus den 1950er Jahren ist
deutlich zu erkennen: Arbeitsgeräte sind bewusst platziert; der Forscher wird in direktem Kontakt
zum Eis und bei körperlicher Arbeit dargestellt. Das Foto von 2013 folgt zwar grundsätzlich
ähnlichen Mustern, ist aber weniger deutlich inszeniert; die Wissenschaftler wirken routinierter,
das Bild eher zufällig, dokumentarischer.
Forschungsbedingungen im Vergleich: Auch in den 1950er Jahren war der technische Aufwand
nicht unerheblich; das leibliche Wohl der Forscher wurde aber weit weniger planerisch
berücksichtigt, als das heute der Fall ist. Insbesondere bei großen Forschungsmissionen steht
beachtliche logistische, medizinische und technische Unterstützung zur Verfügung; die
Kommunikationsmöglichkeiten haben sich verbessert; insgesamt gibt es hohe
Sicherheitsstandards für die beteiligten Forscher. Das Vordringen in eine lebensfeindliche
Umgebung wird nach wie vor als Herausforderung empfunden und dargestellt; die technische und
logistische Unterstützung wird in Text-, Bild- und audiovisuellen Medien im Sinne einer modernen
Wissenschaftsvermittlung einbezogen: Wissenschaft wird attraktiv gemacht durch die Instrumente,
die sie einsetzt.
Als Abenteuer- und Entdeckungsreisen erinnert Claude Lorius seine Antarktisexpeditionen. Mit
Blick auf die Forschungs-Expeditionen des 19. Jahrhunderts, die nicht wenige Menschen mit dem
Leben bezahlt haben, kann dies schon relativiert werden. Heute würde man sich wohl weniger als
Abenteurer und Entdecker bezeichnen, wohl aber noch als Pionier, wenn es darum, neue Wege der
Forschung zu finden.
Der Film ZWISCHEN HIMMEL UND EIS erzählt Episoden aus Lorius‘ Forscherbiografie und verknüpft sie durch Einschübe auf einer Gegenwartsebene: Der Forscher blickt zurück und reflektiert seine Erfahrungen. Anhand eines Ausschnitts vom Beginn des Films können die Schüler/innen in Arbeitsmaterial E 7 nachvollziehen, wie raffiniert und beziehungsreich der Film diese Ebenen verbindet und Lorius‘ Aussagen durch symbolhafte Bilder visuell erweitert.
Darstellung von Wissenschaft: Personalisierung ist ein zentrales Mittel des Films. Claude Lorius als
absolut glaubwürdiger Vertreter seiner Zunft ist optisch sehr präsent: Man sieht ihn in
verschiedenen Landschaften, die von ihm erforscht wurden oder im Zusammenhang mit dem
Klimawandel von Bedeutung sind. Lorius wandert, beobachtet, tastet, seine markanten
Gesichtszüge stehen für die Klugheit und Erfahrung eines alten Mannes, seine blaue Allwetterjacke
dient als durchlaufender Farbakzent in Landschaften, die von Weiß-, Grau- und Brauntönen
geprägt wird. Auch verbal wird personalisiert – wissenschaftliche Erkenntnisse werden nicht
objektiv geschildert, sondern es heißt: „Ich habe gesehen, dass die Menschen …“
Viele Landschaftsbilder visualisieren Schlüsselbegriffe der Klimadiskussion: Meeresspiegelanstieg –
Lorius steht im Wasser; Abtauen von Gletschern – er geht durch ein Rinnsal; Vernichtung der
Wälder – er steht in einem niedergebrannten Wald
Zeitebenen: Lorius‘ Text kreist um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, er setzt die
erdgeschichtliche Zeit in Beziehung zur Lebenszeit eines Menschen; auch auf der Bildebene gibt es
eine Vielzahl von Signalen und Symbolen, die Zeit thematisieren (Farnwedel im abgerannten Wald;
Walgerippe; verfallenes Haus; Wellen am Ufer; Gletscher-Zeitraffer; zeitgleiches Erscheinen des
alten und des jungen Lorius im Moment, in dem die biografische Erzählung beginnt)
Dokumentarfilm-Genre: Für alle drei Bezeichnungen, „Filmbiografie“, „Wissenschaftsfilm“ und
„Filmessay“, gibt es gute Gründe; gerade die geschickte Verknüpfung verschiedener
Dokumentarfilmtypen macht den Reiz von ZWISCHEN HIMMEL UND EIS aus. Keine der drei
Dimensionen sollte fehlen, aber auch keine von ihnen allein wäre geeignet, den Film über 90
Minuten zu tragen.
Arbeitsmaterial E 8 nähert sich der visuellen Gestaltung noch einmal von einer anderen Seite: Es fällt immer wieder auf, wie der Film seinen Protagonisten in eindrucksvolle Landschaften platziert, ihn aus ungewöhnlichen Perspektiven und in extremen Einstellungsgrößen zeigt. So werden die Fragen des Films visualisiert: Was macht der Mensch in der Natur, wie steht er zur Natur, was empfindet er im Angesicht ihrer Schönheit, ihrer Einsamkeit, ihrer Verletzlichkeit? Oder ist nicht die Natur verletzlich, sondern am Ende der Mensch? Die Bilder erzwingen keine bestimmte Fragestellung, sie lassen Spielraum für eigene Assoziationen, die von den Schülern/innen hier auch formuliert werden können.
Bildvergleich: Der Vergleich mit einem Bild von Caspar David Friedrich und mit einigen Grundideen
der Romantik mag diesen Assoziationen zusätzlichen Antrieb geben. Natürlich fehlen einem Maler
des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf ökologisches Denken, und naturwissenschaftlichen
Erkenntnisfortschritt die Erfahrungen einer ganzen Epoche – trotzdem teilt Lorius mit ihm wohl das
Gefühl, dass die Größe und Einsamkeit bestimmter Naturräume dem Menschen besonders
eindrückliche Erlebnisse ermöglicht, die sich rationalen Erklärungen entziehen.