Warum Meeresschildkröten? Eine junge Forscherin im Interview

Rebecca Scott war schon als Kind von Schildkröten fasziniert. Sie studierte in England und erwarb ihren Doktortitel mit einer Forschungsarbeit über Meeresschildkröten. Dann ging sie zum GEOMAR, einem großen Meeresforschungszentrum in Kiel.

Mit moderner Technik Schildkröten zu erforschen kostet Geld – deshalb freut sich Rebecca Scott, dass ihre aktuelle Arbeit vom Kieler Exzellenzcluster „Ozeander Zukunft“ gefördert wird.

Seit wann interessieren Sie sich für Schildkröten?

Als Kind habe ich beim Schnorcheln zum ersten Mal eine Meeresschildkröte gesehen – und war fasziniert. Es war bei einem Familienurlaub. Ich konnte die Schildkröten sogar dabei beobachten, wie sie am Strand ein Loch gruben und ihre Eier ablegten. Nur noch wenige Meter bis zum Meer: Eine Baby-Schildkröte auf dem Weg ins Wasser. Nach diesem Urlaub war ich ziemlich sicher, dass ich Schildkröten erforschen wollte. Ich entschied mich, an der Universität Ökologie und Artenschutz zu studieren. Meine Forschung konzentrierte sich auf Meeresschildkröten und während meiner Semesterferienreiste ich nach Griechenland, wo ich praktisch mit Meeresschildkröten arbeiten konnte. In Griechenland habe ich auch zum ersten Mal gesehen, wie die gerade geschlüpften Tiere aus ihren Nestern kamen und im Meer verschwanden. Diese Erfahrung fand ich faszinierend, und von diesem Moment an wusste ich, dass ich herausfinden wollte, wohin diese Tiere schwimmen.

Und heute? Sind Sie noch immer fasziniert oder sind die Schildkröten Forschungsobjekte wie andere auch?

Am meisten fasziniert mich das Bewegungsverhalten der Meeresschildkröten. Manche Tiere reisen Zehntausende von Kilometern, während andere keine hundert Kilometer weit schwimmen oder sich gar nicht vom Fleck bewegen. Wir wissen das, weil wir die Panzer erwachsener Schildkröten mit Sendern ausstatten, wenn sie die Eier abgelegt haben. Dann können wir verfolgen, zu welchen Futterplätzen sie schwimmen. Kleine Schildkröten können Tausende von Kilometer reisen, indem sie sich mit den Meeresströmungen treiben lassen, aber wir wissen noch immer wenig über die Wanderbewegungen junger Schildkröten, weil sie zu klein sind, um sie aufzuspüren. Wenn wir ihnen einen Satellitensender anhängen würden, würden sie ertrinken. Die ersten Jahre sind deshalb für uns so zu sagen „verlorene“ Jahre. Bei erwachsenen Meeresschildkröten ist das anders: Man kann an ihrem harten Panzer problemlos Geräte anbringen, wenn sie zum Eierlegen auf das Land kommen. Bei Baby-Schildkrötenkann man die Wanderung vorhersagen ,indem man die Meeresströmungen berechnet.

Können Sie etwas zum Schutz der Schildkrötenbeitragen?

Ja, durch unsere Forschung können wir Schutzmaßnahmen unterstützen – zum Beispiel, wenn wir genauer wissen, wohin Schildkröten schwimmen und warum sie das tun. Je besser wir die Tiere verstehen, umso besser können wir auch die Bedrohungen einschätzen und Lösungen finden, um ihre Lebensräume zu schützen. So wie es auf dem Land Naturschutzgebiete gibt, gibt es auch Schutzzonen im Meer. Wenn wir die Schildkrötenbewegungen kennen, können wir Politiker besser beraten, wenn es um die Festlegung solcher Schutzzonen geht. Anschließend können wir untersuchen, ob die Schutzzonen wirklich etwas helfen oder ob man sie noch verändern muss. Es ist auch so, dass die Gefahren nicht für alle Meeresschildkröten gleich sind: Bei einigen Arten ist die größte Bedrohung der Verlust der Brutplätze, bei anderen das Risiko, in Fischernetzen zu sterben. Auch hier können wir Vorschläge machen, wie man die Netze so ändern kann, dass Schildkröten aus ihnen entkommen können. Einige Forscher arbeiten mit Menschen zusammen, die in der Nähe von Meeresschildkröten leben. Sie zeigen diesen Menschen, wie sie mehr Geld verdienen können, wenn sie als Touristenführer oder Ranger arbeiten, anstatt die Schildkröten zu jagen.

Mit welchem Thema beschäftigen Sie sich gerade?

Es sind drei Themen: Ich versuche mehr über die kleinen Schildkröten zu erfahren. Außerdem möchte ich gerne wissen, wie und warum sich erwachsene Tiere entscheiden, wohin sie sich bewegen. Und drittens untersuche ich, wie hilfreich Schutzgebiete im Meer sind. Dafür werte ich Satellitendaten aus, aber ich entwickele auch neue technische Geräte, um die Bewegungen der Schildkröten besser erfassen zu können, auch die der kleinen Tiere, die wir in ihren ersten Jahren bislang kaum verfolgen können.

Bei den erwachsenen Schildkröten arbeite ich gerade mit neuen Geräten, die nicht nur anzeigen, wo sich eine Schildkröte befindet, sondern auch, wie oft sie auftaucht um zuatmen, wann sie schläft und wie oft sie ihre Schwimmpaddel bewegt. So erfahren wir viel mehr über die Tiere, als das bisher möglich war.

Würden Sie Kindern empfehlen, Schildkrötenforscher/in zu werden?

Wenn du ein Thema hast, das dich fasziniert, dann ist es ein wunderbarer Job, Forscher und Wissenschaftler zu sein. Allerdings gibt es gerade bei populären Tieren wie Meeresschildkröten auch eine große Konkurrenz unter Wissenschaftlern. Du musst sehr hart arbeiten und dich zum Beispiel intensiv mit Computerprogrammen zur Datenanalyse beschäftigen. Die meiste Zeit verbringe ich tatsächlich vor dem Computer, um große Datenmengen zu untersuchen. Ich arbeite mit raffinierten Programmen, mit denen ich die Strömungen der Ozeane genauer verstehe. Manche meiner Kollegen verbringen viel Zeit im Labor, um zum Beispiel die Haut von Schildkrötenzu untersuchen und so etwas über ihre Ernährung oder ihr Erbgut zu erfahren. Diese Fähigkeiten sind nötig, um solche faszinierenden Tiere wie Meeresschildkröten erforschen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Schildkröten unter Beobachtung: Ausgewachsene Tiere tragen mühelos einen Sender auf dem Panzer und können so über einen Satellit geortet werden. Die Baby-Schildkröte (rechts) kann nur einen ganz kleinen Sender tragen. Er ermöglicht es immerhin, das Tier bei seinen ersten Schwimmzügen im Meer für einige Stunden zu verfolgen.

Aufgaben

  • Moderne Technik hilft bei der Erforschung von Schildkröten. Warum ist es nicht so einfach, die Reiserouten von Meeresschildkröten zu verfolgen?
  • Was kann eine Forscherin wie Rebecca Scott tun, um Meeresschildkröten zu schützen?
  • Welche Tierart würdest du gerne erforschen? Beschreibe, was dich daran interessiert.