Meere im Klimawandel: Die Nordsee als Einwanderungsgebiet
Wissenschaftler/innen des Alfred-Wegener-Institutes zählten 2012 im deutschen Wattenmeer insgesamt52 eingeschleppte Arten – und jedes Jahr kommt ein neuer Exot hinzu. Die meisten dieser sogenannten Neozoen („Neu-Tiere“) und Neophyten („Neu-Pflanzen“) werden unabsichtlich eingeschleppt. Viele von ihnen gelangen an der Außenhaut von Schiffen zu uns.
Etwas anders ist es mit der Pazifischen Auster Crassostrea gigas. In den 1950er Jahren hatten Fischer die heimischen Austern nahezu ausgerottet. Zunächst gab es in den Niederlanden, später auch im norddeutschen Wattenmeer Versuche, die Pazifische Auster anzusiedeln. 1986 führten Sylter Austernfarmer einen solchen Versuch durch und rechneten nicht damit, dass sich die Tiere verbreiten würden, denn um sich fortzupflanzen, benötigen die Pazifischen Austern Wassertemperaturen von mehr als 18 Grad Celsius. Nach damaliger Auffassung war das im nördlichen Wattenmeer nicht ausreichend häufig der Fall.
Doch es kam anders: Larven der Pazifischen Auster entkamen aus den Austernfarmen und breiteten sich in den folgenden Jahren im Wattenmeer aus. Wie kam es zu diesem überraschenden Ereignis? Zwischen 1987 und 2003 gab es ungewöhnlich viele warme Jahre, was die Verbreitung der Austern begünstigte. Die Temperaturentwicklung fügte sich ein in einen langfristigen Trend: Die Nordsee wird wärmer. So haben Forscher/innen des Alfred-WegenerInstitutes in einer Langzeitmessung über einen Zeitraum von fünfzig Jahren rund um Helgoland einen Temperaturanstieg von etwa 1,7 Grad ermittelt.
Die Pazifischen Austern siedelten sich vor allem auf Miesmuschelbänken an. Innerhalb kurzer Zeit verwandelten sich die Muschelbänke dadurch in Austernriffe – ein Problem für eine ganze Reihe von Seevögeln. Weder Eiderenten noch Knutts oder Austernfischer sind in der Lage, mit ihren Schnäbeln die dicken Schalen der eingeschleppten Pazifischen Auster zu spalten. Zwar wurden die Miesmuscheln nicht komplett verdrängt, aber sie erreichen nur noch eine geringere Größe, und die Bestände einzelner Seevogelarten, die sich von den Muscheln ernähren, sind zurückgegangen.
Die Pazifische Auster hat im Wattenmeer keine natürlichen Fressfeinde und kann sich ungehemmt ausbreiten: auf hektargroßen Flächen, mit bis zu 2.000 Tieren auf einem Quadratmeter. Die eingewanderte Art wird also nicht unbedingt in eine bestehende Nahrungskette integriert – sie kann diese sogar gefährden, wenn sie eine andere Art verdrängt, die ein wichtiges Element dieser Nahrungskette ist. Andererseits schafft die Pazifische Auster auch neuen Lebensraum, zum Beispiel für weitere Wattenmeer-Einwanderer. Der Japanische Beerentang Sargassum muticum heftet sich an die Austernschalen und wächst bis zu vier Meter in die Höhe. In diesen Algenwäldern hat mit dem Asiatischen Gespensterkrebs ein weiterer Nordseeneuling ein Zuhause gefunden.
Zusammenstellung aus Materialien des AlfredWegener-Institutes
Aufgaben
- Stellen Sie am Beispiel der Pazifischen Auster dar, wie neu eingewanderte Arten sich auf bestehende Ökosysteme auswirken können.
- Nennen Sie Gründe für die hohe Zahl neuer Arten in der Nordsee.
- Informieren Sie sich über andere Neozoen und Neophyten, die als problematisch gelten (z.B. auf der Seite www.neobiota.de).