Immer noch eine unbequeme Wahrheit: Unsere Zeit läuft

Land/Jahr: USA 2017

Regie: Bonni Cohen, Jon Shenk, Mitwirkende: Al Gore u.a

Laufzeit: 99 Minuten  FSK: ab 6 Jahre

Altersempfehlung: ab 13 Jahren  Klassenstufen: ab 8. Klasse

Verleih: Paramount Pictures Germany  

Themen: Klimawandel, Klimapolitik, Entwicklungspolitik, politisches Engagement, Demokratie, Energieversorgung, Ökologie, Naturkatastrophen

Unterrichtsfächer: Erdkunde, Politik, Wirtschaft, Biologie, Sozialkunde, Philosophie, Ethik, Deutsch

Filmstart: 07.09.2017

Inhalt des Films

2006 sorgte der Film EINE UNBEQUEME WAHRHEIT weltweit für Aufsehen: Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore wies mit dramatischen Bildern auf den menschengemachten Klimawandel hin. Gut zehn Jahre später, im Herbst 2017, tritt Al Gore erneut als Protagonist eines Dokumentarfilms auf: IMMER NOCH EINE UNBEQUEME WAHRHEIT: UNSERE ZEIT LÄUFT knüpft an das Filmprojekt von 2006 an und zieht eine Zwischenbilanz: Wie ist der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse? Wie hat sich die internationale Klimapolitik entwickelt? Welche Folgen des Klimawandels sind erkennbar und wie gehen die Menschen damit um? Der Film liefert viel Anschauungsmaterial, um sich mit den Folgen des Klimawandels und Strategien zur Reduktion der Treibhausgase zu beschäftigen. Er bietet zudem interessante Einblicke in die politischen Prozesse, die in Gang gesetzt wurden, um eine gemeinsame internationale Klimapolitik durchzusetzen. Dabei werden auch die jüngsten Entwicklungen in den USA mit einbezogen.

Wie schon in EINE UNBEQUEME WAHRHEIT von 2006 bilden die Vorträge und Trainings, die Al Gore durchführt, die Ausgangspunkte reportageartiger Filmsequenzen. Wissenschaftliche Informationen werden so mit konkreter Anschauung verknüpft. Der Film begleitet Al Gore um die halbe Welt: Zum schmelzenden Eispanzer von Grönland, auf die Straßen von Miami und in die von einem Taifun zerstörte Stadt Tacloban City auf den Philippinen. Interessant ist auch sein Abstecher ins Herz der US-Ölindustrie: Mitten in Texas steht die Stadt Georgetown kurz davor, sich zu 100 Prozent mit regenerativen Energien zu versorgen. Gore tritt als neugieriger Beobachter auf, als engagierter Redner, als Berater und auch als politischer Unterhändler, der die Möglichkeiten auslotet, die indische Regierung vom Bau zahlreicher neuer Kohlekraftwerke abzubringen. Die Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen werden fast wie ein kleines Drama inszeniert, bei dem Al Gore dazu beiträgt, dass auch Indien dem Klimaabkommen beitritt.

Ohne es merken zu müssen, folgen die Zuschauer/innen einem Diskurs über den Klimawandel: Ursachen und Folgen, Momentaufnahmen und Analysen, Konflikte und Perspektiven. In EINE UNBEQUEME WAHRHEIT stand noch die Frage nach den Beweisen für einen menschengemachten Klimawandel im Mittelpunkt. In der Fortsetzung (Sequel) haben sich die Akzente verschoben: Dass es einen Klimawandel gibt, ist bei einer großen Mehrheit der Experten/innen und Politikern/innen zur Gewissheit geworden. Nun geht es vor allem um Klimafolgen, um Klimaanpassung und um Strategien zur Reduktion von Treibhausgasen. Und darum, wie eine gerechte Lastenteilung zwischen armen und reichen Ländern aussehen könnte. Einer der bewegenden Momente ist der Abschluss der Klimaverhandlungen von Paris – mit einem Abkommen, das mittlerweile als ein historischer Durchbruch betrachtet wird. Es hätte auch der positive Schlusspunkt des Films werden können, hätten nicht die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und der Austritt der USA aus dem Klimaabkommen dem Optimismus einen Dämpfer versetzt. So werden am Ende gegensätzliche Signale gesendet: Den unerwartet hohen Zuwachsraten bei der erneuerbaren Stromerzeugung in vielen Ländern der Welt steht ein Erstarken von politischen Kräften gegenüber, die das Rad zurückdrehen wollen und entgegen aller Vernunft verstärkt auf fossile Energieträger setzen.

Filmische Realisierung

Al Gore steht als durchweg präsenter Protagonist im Mittelpunkt des Films – er ist Lernender und Vermittler von Zusammenhängen, Reisender und Unterhändler. Dabei sucht er Orte auf, an denen die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren sind. In den überfluteten Straßen von Miami holt sich der ehemalige Vizepräsident nasse Füße und nach dem Durchzug des Taifuns Haiyan tröstet er Menschen, die von der Gewalt der Natur und seinen tödlichen Auswirkungen schockiert sind. Der Film setzt Interviewszenen neben imposante Naturaufnahmen und fügt etwas zusammen, was sonst oft nur getrennt zu haben ist: Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und beeindruckende Bilder bedrohter Schönheit. Durch die geschickte Verknüpfung der Sequenzen entsteht der Eindruck einer fließenden filmischen Erzählung – gleichwohl lassen sich thematisch geschlossene Episoden erkennen, anhand derer die Zuschauer/innen Sachzusammenhänge nachvollziehen können. Gore tritt als mitreißender Redner auf, aber er reflektiert auch immer wieder nachdenklich die Grenzen seines eigenen Engagements. Er weiß sich zu inszenieren und lässt die Kamera auch dann nah an sich herankommen, wenn es heikel wird, etwa als die Attentate von Paris den Sendebetrieb von Gores Klima-Kampagne zum Erliegen bringen. Der Film setzt auf Dramatisierung und Emotionalisierung – die Schicksale von Taifunopfern erscheinen als unmittelbare Folge des Klimawandels. Das macht die Zusammenhänge anschaulich und ist von hoher filmischer Wirkung, aber in der Argumentation auch gewagt. Der sehr emotionale Zugriff auf das Thema war schon in EINE UNBEQUEME WAHRHEIT Diskussionsgegenstand und kann im Zuge der unterrichtlichen Erarbeitung auch problematisiert werden.