DIE MELODIE DES MEERES (SONG OF THE SEA)

Land/Jahr: IE, LU, BE, FR, DK 2014

Genre: Animationsfilm/Trickfilm, Fantasyfilm
 
Regie: Tomm Moore 

Drehbuch: Will Collins basierend auf einer Originalgeschichte von Tomm Moore 

Sprecher/innen der dt. Fassung: Jacob Neise, Emma Herrmann, Roland Hemmo, Marianne Bernhardt u.a. 

Laufzeit: 93 Minuten 

FSK: Ohne Altersbeschränkung

Altersempfehlung: ab 7 Jahren 

Klassenstufen: ab 2. Klasse

Themen: Meeresmythen und Fabelwesen, Kindheit, Familie, Abenteuer, Mythologie, Magie, Trauer, Natur, Land-Stadt-Konflikt, Musik, Identität, Fremde Kulturen

Unterrichtsfächer: Deutsch, Kunst, Musik, Religion, Englisch, Lebenskunde

Inhalt des Films

Der kleine Ben lebt an einem scheinbar paradiesischen Ort: Er wohnt auf einer kleinen Insel, zusammen mit seiner Mutter Bronach und seinem Vater Conor, der sich um den Leuchtturmkümmert. Bronach singt Ben Lieder vor und erzählt ihm Geschichten von Riesen und Feen. Sie schenkt ihm eine große Muschel, auf der man Melodien spielen kann. Bronach ist schwanger und Ben freut sich schon auf die Ankunft der Schwester. Als seine Mutter sich abends zurückzieht, weil die Wehen einsetzen, sieht Ben ihr ängstlich hinterher.

Jahre später liegt ein dunkler Schatten über der Familie. Ben ist schon ein großer Junge, der nur ungern auf seine kleine Schwester aufpasst. Er macht sie dafür verantwortlich, dass Bronach nach der Geburt nicht zurückgekehrt ist. Conor gibt sich Mühe, aber auch er hat sich nach dem Verlust seiner Frau verändert. Er ist abweisend und grimmig geworden. Mit Bens tief verwurzelter Wut ist er ebenso überfordert wie mit dem Handicap seiner Tochter Saoirse: Bis zu ihrem sechsten Geburtstag hat sie noch kein Wort gesprochen.

An eben diesem Geburtstag, an dem die Großmutter aus der Stadt zu Besuch gekommen ist, eskaliert die Situation: Ben taucht Saoirses Kopf in die Torte und diese läuft mitten in der Nacht ins Meer und taucht mit den Seehunden um die Wette. Eine Welle spült sie später wieder ans Land, wo die Großmutter sie findet. Aufgeschreckt von diesem Vorfall beschließt die Großmutter, eine strenge und prinzipientreue Frau, die beiden Kinder mit zu sich in die Stadt zu nehmen. Ben ist darüber verzweifelt– er will nicht weg. Das Schlimmste für ihn ist jedoch, dass er sich auch von seinem geliebten Hund Cú trennen muss.

Nachts flieht er aus dem Haus der Großmutter. Saoirse schleicht hinterher. Ben erlaubt ihr nur unter Protest, ihm zu folgen. Sie treffen auf drei eigenartige kleine Männchen, die sie zu einem unterirdischen Ort bringen, wo sie vor einem versteinerten Publikum ein Konzert geben. Es sind Fabelwesen, die Ben erklären, dass seine Schwester eine Selkie ist, ein Fabelwesen aus dem Meer. Nur wenn die Selkie noch in der Nacht ihr weißes Fell anzieht und ihr Selkie-Lied singt, kann es gelingen, die versteinerten Fabelwesen zu erlösen.

Es beginnt ein gefährlicher und abenteuerlicher Weg, auf dem Ben nicht nur Mut und Willensstärke beweisen muss. Er muss auch zeigen, dass er für seine Schwester bis an die Grenze seiner Möglichkeiten geht. Die Versteinerung der Fabelwesen ist auf der psychologischen Ebene nichts anderes als die vollkommene Erstarrung der Gefühle, der sowohl Ben als auch sein Vater mit dem Verschwinden (also dem Tod) der Mutter zum Opfer gefallen ist.

Die Situation spitzt sich zu, weil Saoirse von einer lebensbedrohlichen Schwäche ergriffenwurde. Mit letzter Kraft gelingt es Ben, das weiße Selkie-Fall vom Meeresgrund zu holen, wohin es Conor befördert hat. In dem Moment, in dem die todkranke Saoirse ihr Lied anstimmt, wird die dunkle Welt der Felseninsel in magisches Licht getaucht. Bronach, die Mutter, taucht aus den Fluten auf und scheint Saoirse mitnehmen zu wollen. Aber auf die Bitte von Ben und Conor hin gibt sie das Kind frei und entschwindet wieder in der Feenwelt.

Filmische Realisierung

Figuren und Hintergründe in diesem Animationsfilm beruhen auf handgemalten Vorlagen und sind in einer ansprechenden und anrührenden Bilderbuchoptik gehalten. Oft fließen die Bilder förmlich über von Ornamenten und symbolhaften Zeichen. Zusammen mit den digital erzeugten Lichtwirkungen ergibt sich eine sehr eigenwillige, aber ansprechende Mischästhetik.

Neben den magischen Wesen, Gegenständen und Orten spielt die Musik eine große Rolle. Sie leitet über von der realistischen Familiengeschichte zur märchenhaften Welt der Selkies, der Riesen und der (letztlich gar nicht so) bösen Hexe Macha. Sphärische Klänge, irische Volkslieder, vor allem aber das anrührende Lied der Selkie beleben und poetisieren die Geschichte. In ihr sind die irischen und schottischen Mythen nicht nur Beiwerk, sondern sie werden so geschickt mit der Familiengeschichte um Verlust und emotionale Erstarrung verwoben, dass man nicht sagen kann, ob die symbolische oder die psychologische Ebene dominiert. Beides gehört zusammen, beides ist eins.

Während in den ersten Episoden des Films sehr sensibel dargestellt wird, wie Ben mit Grobheit und Kälte gegenüber seiner Schwester auf den Verlust seiner Mutter reagiert, dominieren in der zweiten Hälfte des Films die Erlebnisse an den übernatürlichen Schauplätzen unterhalb von Erdoberfläche und Meeresspiegel. Am Ende, wenn Bronach noch einmal aus dem Meer auftaucht, werden beide Ebenen miteinander verschmolzen.