DEEPWATER HORIZON

Land/Jahr: USA 2016 Genre: Drama, Action, Katastrophenfilm
Regie: Peter Berg
Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Matthew Sand
Darsteller/innen: Mark Wahlberg, Kate Hudson, Kurt Russell, John Malkovich, Gina Rodriguez, Dylan O'Brien
Laufzeit: 108 Minuten FSK: 12 Jahre
Altersempfehlung: ab 14 Jahre Klassenstufen: ab 9. Klasse
Themen: (Natur-) Katastrophen, Helden, Arbeit, Energie, Rohstoffe, Globalisierung, Technik/neue Technologien, Verantwortung, Mut, Wirtschaft, Politik, Ökologie, Klimawandel
Unterrichtsfächer: Geografie, Politik, Wirtschaft / WAT, Arbeitslehre, Biologie, Deutsch, Englisch
Kinostart: 24.11.2016
Inhalt des Films

Die Filmhandlung umfasst im Wesentlichen einen einzigen Tag – den 20. April 2010, an dem die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodierte. Im Mittelpunkt steht der Chefelektriker Mike Williams, der an diesem Tag seine dreiwöchige Schicht auf der Plattform im Golf von Mexiko beginnt. Aufstehen, Austauschen von Neckereien und Zärtlichkeiten, Frühstück mit Frau und Tochter – die Geschichte beginnt mit einem intimen Blick auf die Familienidylle eines ganz normalen Mannes – erst vor diesem Hintergrund werden Größe und Gewalt der Katastrophe und die Ausmaße des technischen, menschlichen und institutionellen Versagens deutlich.
Während des Frühstücks probt Mikes Tochter Sydney im Beisein ihrer Eltern einen Vortrag, den sie für die Schule vorbereitet hat. Das Grundschulkind soll von dem Beruf des Vaters berichten und stellt die Vorgehensweise bei einer Tiefseebohrung anschaulich und mit kindlicher Bildhaftigkeit dar. Durch diesen Kunstgriff werden wesentliche Fakten (Staffelung der Arbeitsprozesse, hoher Druck des Erdöls), aber auch emotionale Wertungen transportiert: Sydney bezeichnet das Öl als Monster, das aus seinem Gefängnis unter der Erdoberfläche ausbrechen möchte – ein kindliches Bild, das die Sache auf den Punkt bringt. Zudem verdeutlicht ein Experiment den Bohrvorgang und seine Risiken: Sydney füllt Honig durch ein Metallröhrchen in eine Coladose – nach wenigen Augenblicken schießt eine klebrige Fontäne aus der Dose. Das Experiment wirkt wie ein Modell der späteren Katastrophe.

Der Weg zu Mikes Arbeitsstätte gleicht einem allmählichen Eintauchen in eine harte, aber herzliche Arbeitswelt. Mike trifft auf Kollegen, man tauscht Erlebnisse aus, scherzt und klopft sich auf die Schultern. Im gleichen Stil geht es auf der Plattform weiter – und hier mischen sich erste Irritationen ein. Worauf wartet das Transportschiff in der Nähe der Deepwater Horizon? Wieso verlassen die Mitarbeiter des Unternehmens Schlumberger schon die Plattform? Wurde der Zementtest durchgeführt? Aus der allgemeinen Ratlosigkeit fügen sich Gesprächsfetzen und hingeworfene Informationsbrocken allmählich zu einem Bild zusammen: Wegen des Zeitverzugs drängen die BP-Manager die Techniker auf der Bohrplattform dazu, ihre Arbeiten noch am gleichen Tag abzuschließen – obwohl es schon in der Vergangenheit Probleme mit Gasaustritten und zu hohem Druck gab und die Bohrung auch bei erfahrenen Leuten als ausgesprochen schwierig und gefährlich gilt.

Zwei Männer tragen diesen Konflikt aus: BP-Manager Don Vidrine, ein kalter Rechner und scharfzüngiger Antreiber, und Jimmy Harrell, technischer Leiter der Bohrung. Jimmy ist ein erfahrener und aufrechter Mann, für sein Team ein großes Vorbild. Er ringt dem BP-Manager einen Drucktest ab, der zu problematischen Ergebnissen führt. Vidrine kontert mit einem zweiten Test, der besser ausfällt. Trotz seines Unbehagens beugt sich Harrell schließlich dem Abgesandten des Ölkonzerns: Er stimmt zu, den Bohrschlamm gegen Meerwasser auszutauschen – ein Vorgang, der bei einer schadhaften Bohrung riskant ist. Während Harrell am Abend duscht und Mike Williams über Skype mit seiner Frau spricht, steigt der Druck im Bohrgestänge massiv an. Die Techniker können die erste Schlammfontäne stoppen, bei der zweiten gelingt das nicht mehr. Bohrschlamm, Öl und Gas werden aus dem Bohrloch geschleudert, das Ventil am Meeresboden schließt nicht mehr und nach wenigen Augenblicken kommt es zu einer gewaltigen Explosion. Von diesem Augenblick an geht es ums Überleben – aber auch um den verzweifelten Versuch, das weiterhin strömende Öl-Gas-Gemisch zu stoppen. Mike Williams entwickelt sich zum Helden: Er holt den verletzten Jimmy aus den Mannschaftsräumen, schafft es, ein Notstrom-Aggregat in Gang zu setzen und rettet schließlich der verzweifelten Technikerin Andrea das Leben, indem er sie von der brennenden Plattform ins Meer stößt. Auch Mike springt und wird gerettet – aber er ist kein Sieger. Er lässt elf tote Kollegen, eine zerstörte Bohrplattform und eine unkontrolliert spuckende Ölquelle in 1.500 Metern Meerestiefe zurück. Am Ende des Films halten sich Pathos, Erleichterung und Depression die Waage.
Filmische Realisierung

Zu Beginn des Films sind O-Töne aus einer Anhörung zum Deepwater-Horizon-Unglück zu hören, am Ende werden die getöteten Mitarbeiter namentlich aufgelistet. Auch die Vorbilder für die Hauptfiguren des Films werden kurz vorgestellt. Innerhalb dieses Rahmens läuft ein spannender und stringent erzählter Film, der sich an Erzählmustern des Katastrophen- und des Actionfilms orientiert. Es ist erstaunlich, wie gut die filmische Dramaturgie funktioniert, obwohl sich das Drehbuch sehr nahe an der tatsächlichen Chronologie des Katastrophentages orientiert und zwangsläufig auch viele technische Details einfließen. DEEPWATER HORIZON wirkt nicht wie eine nachgestellte Katastropheninszenierung, sondern zieht die Zuschauer/innen voll und ganz in seinen Bann.
Dazu trägt die dichte, manchmal fast atemlose Erzählweise bei, vor allem aber der ausgesprochen geschickte Aufbau von Spannung. Mikes Familienidylle fungiert als harmonisches Gegenbild zu einem dreckigen und gefährlichen Arbeitsplatz. Die Zuspitzung des Konfliktes zwischen Don Vidrine und Jimmy Harrell wird schrittweise entwickelt. Ihre Auseinandersetzungen erinnern an Duelle – ausgetragen nicht mit Revolvern, sondern mit technischem Wissen, scharfer Polemik und dem unbedingten Glauben an die eigene Mission: Verantwortung steht gegen Profitstreben, Vorsicht gegen Risikobereitschaft.
Diesem Setting kommen die technischen Umstände der Tiefseebohrung entgegen: Durch die große Tiefe und den enormen Druck sind diese Arbeiten mit viel Ungewissheit befrachtet. Niemand kann den Zement sehen, der in mehreren tausend Metern Tiefe verbaut wird. Tests müssen interpretiert werden und wer die falschen Schlüsse zieht, bekommt es mit gigantischen Kräften zu tun. Das Unheimliche dieser Situation wird durch eine suggestive Musik unterstrichen, immer wieder geht die Kamera auf Tauchfahrt und gleitet an dem Bohrstrang entlang durch die dunkle und letztendlich undurchschaubare Unterwasserwelt. Sydneys Vorstellung eines in der Tiefe sitzenden Monsters, die am Anfang noch als kindliche Idee erschien, entwickelt sich im Laufe des Films zu einem treffenden Bild.

Es kommt dem Film zugute, dass Regisseur Peter Berg nicht im Studio drehen, sondern eine komplette Bohrplattform nachbauen ließ, auf der die Schauspieler und eine Schauspielerin einen authentischen Eindruck dieser rauen Arbeitswelt vermitteln. Im letzten Teil – nach der Explosion – dominieren Action und Pyrotechnik. Gegner ist nicht mehr das Monster in der Tiefe, sondern die Zerstörungskraft des Feuers: Es geht ums Überleben und einen letzten Rest von Kontrolle auf der stählernen Ruine, zwischen splitternden Scheiben und glühend heißen Türgriffen. Hier bekommt Mike Williams noch die Gelegenheit, sich als echter Filmheld zu beweisen – dieser Umschlag ins amerikanische Action-Kino ist sicher ebenso diskussionswürdig wie die pathetischen Szenen, als die Überlebenden das Vaterunser beten.
Es wurde an DEEPWATER HORIZON kritisiert, dass der Film die ökologische Dimension des Unglücks weitgehend ausblendet. Es entsteht tatsächlich der Eindruck eines gewissen Ungleichgewichtes, wenn man den Film einer medialen Berichterstattung gegenüber stellt, die sich in Europa fast ausschließlich auf die (in der Tat enorme) Verschmutzung von Wasser, Stränden und sensiblen Mündungszonen konzentrierte. Dem kann man entgegenhalten, dass es den Filmemachern freisteht, sich einen für ihre filmische Idee relevanten Teil des Komplexes auszuwählen.
Die Einschätzung, dass DEEPWATER HORIZON nur amerikanisches Heldenkino reproduziere und die Auseinandersetzung mit Problemen scheue, trifft sicher nicht zu: Es gelingt dem Film sehr gut, den Konflikt zwischen BP und den Transocean-Technikern herauszuarbeiten und ein authentisches Bild einer Arbeitswelt zu zeichnen, in der hohe technische Risiken, mangelnde Kontrolle und unzuverlässige Kommunikation ein ungutes Gemenge bilden. Um das der Unglücksnacht folgende ökologische Desaster zu thematisieren, hätte man eine andere Geschichte mit einer anderen Dramaturgie erzählen müssen.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur wird durchaus thematisiert, wenn auch eher unterschwellig: In den ersten Sequenzen lernen die Zuschauer/innen Menschen in einer spritgesteuerten Gesellschaft kennen: Alles dreht sich ums Erdöl und die davon abhängige Gesellschaft. Die Kamera zeigt eine langgestreckte Straße, die ein Sumpfgebiet durchschneidet, und Tankvorgänge in Großaufnahme. Felicia erklärt eher beiläufig, wie diese Gesellschaft funktioniert: „Man kauft Benzin, um zur Arbeit zu fahren, um Geld zu verdienen und sich Benzin leisten zu können. Dann kauft man wieder Benzin, um wieder zur Arbeit zu fahren.“
Darüber hinaus lässt sich das Filmerlebnis gut nutzen, um im Unterricht auch die ökologischen Folgen der Katastrophe zu erschließen und insgesamt nach den Chancen und Risiken einer Rohstoffnutzung in der Tiefsee zu fragen. Nicht zuletzt dazu sollen die Arbeitsmaterialien Anregungen geben.